Karlsruhe (kf). Erscheint die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Mieters, der nach dem Tod seiner Lebensgefährtin in das Mietverhältnis eintritt, gefährdet, ist das an sich noch kein wichtiger Grund zur Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung sei nur in besonderen Ausnahmefällen möglich, entschied der Bundesgerichtshof (AZ.: VIII ZR 105/17).

 

 

Im konkreten Fall war die Lebensgefährtin des Mannes Mieterin einer Dreizimmerwohnung, die sie gemeinsam mit ihm bewohnte. Die monatliche Nettomiete belief sich auf 545 Euro; hinzu kamen Nebenkostenvorauszahlungen von etwa 170 Euro monatlich. Nach dem Tod der Mieterin teilte Mann mit, er sei in seiner Eigenschaft als Lebensgefährte der Verstorbenen in das Mietverhältnis eingetreten. Der Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis unter Berufung auf einen in der Person des Klägers liegenden wichtigen Grund. Die monatlich zu entrichtende Miete nebst Nebenkostenvorauszahlung sei auf Dauer mit dem vom Kläger bezogenen Ausbildungsgehalt nicht zu leisten, so die Begründung.

 

Der Kläger widersprach der Kündigung und erklärte, er sei ohne Weiteres in der Lage, die Miete und Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten. Außerdem verlangte er die Zustimmung des Vermieters zu einer Untervermietung an einen Arbeitskollegen, der sich an der Miete und den Nebenkosten beteiligen würde. Das lehnte der Vermieter ab und verlangte die Beendigung des Mietverhältnisses.

 

Das Amtsgericht, vor dem der Fall zuvor verhandelt wurde, wies die Klage auf Zustimmung zur Untervermietung ab und gab der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Widerklage des Vermieters statt. Die "gefährdet erscheinende" finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers den Beklagten habe nach Auffassung des Landgerichts zur außerordentlichen Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB berechtigt.

 

Der BGH hob das Berufungsurteil auf. Entgegen einer verbreiteten Auffassung komme eine drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit beziehungsweise eine "gefährdet erscheinende" Leistungsfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mieters eingetretenen (neuen) Mieters nur in besonderen Ausnahmefällen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Ob dies hier der Fall sei, bedürfe weiterer Klärung, so der BGH.

 

So ist die Rechtslage:

 

Tritt nach dem Tod eine der in § 563 Abs. 1 oder 2 BGB bezeichneten Personen in ein Mietverhältnis ein, kann der Vermieter dieses innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt (§ 563 Abs. 4 BGB). Dieser Grund muss so beschaffen sein, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht.

 

Ein solcher Grund kann bei einer objektiv feststehenden Unfähigkeit des (neuen) Mieters zur vollständigen oder pünktlichen Leistung der Miete vorliegen. Eine zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung lediglich drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit beziehungsweise "gefährdet erscheinende" Leistungsfähigkeit des Mieters kann laut BGH allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter begründen.

 

Bei Fehleinschätzungen läuft laut BGH der in das Mietverhältnis eingetretene (neue) Mieter Gefahr, sein von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschütztes Besitzrecht selbst dann zu verlieren, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Bedenken gegen seine Leistungsfähigkeit unberechtigt gewesen sind. Deshalb müsse die auf eine bloß drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit oder "gefährdet erscheinende" Leistungsfähigkeit des eingetretenen Mieters gestützte Unzumutbarkeit stets auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruhen.

 

Solche Anhaltspunkte fehlen laut BGH dann, wenn Geldquellen vorhanden sind, die die Erbringung der Mietzahlungen sicherstellen, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen oder sonstigen Einkünften (zum Beispiel Untermietzahlungen, Unterstützung Verwandter, Nebentätigkeitsvergütungen) oder vorhandenem Vermögen der Fall sei.

 

Vorliegend habe das Berufungsgericht allein den Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung eine Ausbildungsvergütung bezog, für eine "gefährdet erscheinende" finanzielle Leistungsfähigkeit ausreichen lassen. Mit dieser Sichtweise stelle es jedoch überhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines nach § 563 Abs. 1 oder 2 BGB in ein unbefristetes Mietverhältnis eingetretenen Mieters, so der BGH. Denn auch ein Vermieter, der mit einem von ihm selbst ausgewählten solventen Mieter einen unbefristeten Mietvertrag abschließt, könne bei Vertragsschluss regelmäßig nicht ausschließen, dass dessen finanzielle Leistungsfähigkeit durch zukünftige Entwicklungen (etwa durch Verlust des Arbeitsplatzes) herabgesetzt werden könnte.

 

 

Außerdem habe das Berufungsgericht laut BGH nicht in Betracht gezogen, dass der Kläger einen Teil der Mietwohnung einem Untermieter überlassen und hierdurch zusätzliche Einkünfte beziehen könnte. Denn die vom Kläger angeführten Gründe für sein Untervermietungsbegehren seien jedenfalls als berechtigtes Interesse anzuerkennen.